
Freimaurerorden
Sie lesen hier den aktuellen Newsletter zur Homepage der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland.
Die Themen in dieser Ausgabe:
Drei Fragen an Prof. Dr. Dietrich Werner,
anlässlich seiner Teilnahme am Salon des Ordens+Meisters der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland. Dietrich Werner diskutierte mit dem Ordens+Meister Dr. Uwe Matthes zum Thema „KI, Ethik und Frieden in Zeiten technologischer Revolution und geopolitischer Polarisierung – Zeitenwende für eine Ethik von Humanität, Menschenwürde und Respekt?!“.
Standpunkt und Denkanstoß
Freimaurerei – leise, aber hochaktuell
mit dem Freimaurerorden.

Prof. Dr. Dietrich Werner gilt als Brückenbauer zwischen Kirchen, Kulturen und Entwicklungsarbeit. Er ist ein international anerkannter evangelischer Theologe, Ökumeniker und ordinierter Pfarrer. Dietrich Werner war viele Jahre in leitenden Positionen tätig, unter anderem beim Weltkirchenrat in Genf und beim Hilfswerk „Brot für die Welt“. Als Professor lehrte er an verschiedenen Universitäten im In- und Ausland. Sein Wirken verbindet Theologie, globale Bildungsgerechtigkeit und entwicklungspolitisches Engagement. Dietrich Werner ist außerdem Mitglied der Think Tank-Kommission „Religion und Entwicklung“ beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Seit 2024 ist Dietrich Werner Präsident der Globethics Foundation, die sich als Denkfabrik für ethische Bildung und gute Regierungsführung weltweit einsetzt. Die international arbeitende Nichtregierungsorganisation mit Sitz in Genf hat beratenden Status des Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen ECOSOC, einem der sechs Hauptorgane der Vereinten Nationen.
Prof. Dr. Dietrich Werner

Prof. Dr. Dietrich Werner
Sehr gerne. Die Dringlichkeit ergibt sich aus einer beunruhigenden Gleichzeitigkeit, die wir so noch nicht erlebt haben: Einerseits eine vierte industrielle Revolution, die massiv und mit ungeheurer Geschwindigkeit von Künstlicher Intelligenz angetrieben wird und alle Lebensbereiche durchdringt. Andererseits eine tiefe, fundamentale Erschütterung der internationalen Ordnung, die wir nach dem Zweiten Weltkrieg mühsam aufgebaut haben. Ob wir auf den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine blicken, der die europäische Friedensordnung zerstört hat oder auf die globalen Auswirkungen nationalistischer Tendenzen, wie sie in der US-Administration unter dem Motto „America First“ sichtbar wurden – überall sehen wir dasselbe Muster: Das Recht des Stärkeren ersetzt systematisch die Stärke des Rechts.
Multilaterale Abkommen und Institutionen wie das Pariser Klimaabkommen oder die WHO werden geschwächt oder verlassen, die Diplomatie wird durch rohe Wirtschaftsdeals und Erpressung ersetzt. Der gemeinsame ethische Kompass, der auf dem Völkerrecht und den universellen Menschenrechten basierte, scheint nicht nur verloren, er wird aktiv demontiert. Genau in diesem gefährlichen Vakuum sehe ich eine immense, eine historische Verantwortung für die Träger ethischer Wertetraditionen, insbesondere die Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften. Sie müssen aus ihrer Nische heraustreten, wieder sichtbarer und lauter werden und die Gesellschaft an die unverhandelbaren Grundlagen von Humanität, Menschenwürde und globaler Solidarität erinnern.

Prof. Dr. Dietrich Werner
Sie ist absolut fundamental und das wichtigste philosophische und theologische Korrektiv zur technologischen Hybris der Tech-Giganten und offen transhumanistischer Bewegungen wie der „Church of AI“. Diese in den USA gegründete Gemeinschaft betreibt eine quasi-religiöse Verehrung der KI und propagiert die Vision einer Verschmelzung von Mensch und Technik, um Einschränkungen, Krankheit, Alter und Tod zu überwinden. Ihre Logik gipfelt in der Erwartung, dass KI bald „allgegenwärtig, allwissend und die mächtigste Wesenheit der Erde“ sein wird. Das ist die Apotheose der Technik. Dagegen setzt das vatikanische Dokument die unaufgebbare christliche Einsicht: Menschliche Intelligenz bleibt immer verkörpert, sie ist „embodied intelligence“.
Sie umfasst eben nicht nur rationale Datenverarbeitung, sondern untrennbar damit verbunden Emotionalität, Empathie, Gewissen, moralisches Urteilsvermögen, Kreativität und die Fähigkeit zur Selbstreflexion. Das kann keine KI ersetzen, sie kann es bestenfalls simulieren. Der Mensch bleibt auch im digitalen Zeitalter verletzliches Geschöpf, nicht Schöpfer seiner selbst. Die Gottebenbildlichkeit, von der die Bibel spricht, begründet seine unveräußerliche Würde. Ein rein technizistischer Reduktionismus, der den Menschen zur optimierbaren, fehlerhaften Maschine degradiert, die es zu „verbessern“ gilt, führt in eine technokratische Sackgasse. Aus diesem ganzheitlichen, relationalen und auch leidensfähigen Menschenbild erwachsen die unverzichtbaren ethischen Grenzen für den Einsatz und die Entwicklung von KI.

Prof. Dr. Dietrich Werner
Meine zentrale Botschaft ist eine Mahnung und ein Appell zugleich: Menschen machen KI, aber KI macht keinen neuen Menschen. Die Zukunft dieser transformativen Technologie hängt einzig und allein davon ab, von wem, für was und mit welchen Interessen und welchem Menschenbild sie gestaltet und eingesetzt wird. Wir dürfen die Definition dieser Zukunft nicht den Profitinteressen der Tech-Konzerne, den Strategen des Militärs oder den Visionären des Transhumanismus überlassen. Das wäre eine Kapitulation der Demokratie und der Humanität. Es braucht eine breite, informierte und streitbare gesellschaftliche Debatte und einen starken, robusten ethischen Rahmen, der im Völkerrecht verbindlich verankert ist.
Ohnmacht ist keine Option. Jeder von uns ist gefragt, sich Digitalkompetenz anzueignen, kritisch zu hinterfragen, wem die Technologie dient, und sich in seinem Umfeld – ob im Beruf, in der Gemeinde, in der Politik – für eine KI einzusetzen, die als Werkzeug der Menschlichkeit, der Gerechtigkeit und des Friedens geplant, konstruiert und eingesetzt wird – und nicht als Instrument der Überwachung, der Unterdrückung, der Ausgrenzung oder der tötenden Gewalt. Die ethische Grundverantwortung liegt bei uns allen, den Menschen. Wir müssen sie jetzt wahrnehmen.
von Br. Werner H. Heussinger, Landesgroßredner

von Br. Werner H. Heussinger, Landesgroßredner
Wozu Freimaurerei im Jahr 2025? Weil sie etwas verteidigt, das unsere laute Gegenwart verlernen könnte: gelebte Werte. In der Loge werden Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Humanität und Toleranz nicht plakatiert, sondern erfahrbar – im Ritual, im Dialog, in der Selbsterziehung. Keine Ideologie, kein Denkersatz. Die Freimaurerei liefert Werkzeuge, nicht Dogmen. Der einzelne Mensch arbeitet an sich – und erst dadurch wirkt er in Familie, Beruf, Gesellschaft.
Die Loge ist dabei Werkstatt und Rückzugsort zugleich: ein geschützter Raum, in dem man aus dem Lärm der Welt tritt, um Haltung zu schärfen, Maß zu finden, Gewissen zu prüfen. Diese Verlangsamung ist kein Eskapismus, sondern Voraussetzung, um „draußen“ wirksam zu sein.
Dass ihre Symbole den Aufbruch der Moderne begleiteten – von Herder und Lessing gedacht, von Goethe, Mozart oder Washington verkörpert – zeigt: Freimaurerei war nie bloß Traditionspflege, sondern Emanzipationspraxis. Am „Tempel der Humanität“ zu bauen heißt, sich selbst zu formen, damit Mündigkeit und Menschlichkeit öffentlich Bestand haben.
Gerade deshalb ist die Freimaurerei aktueller denn je: Sie übt Toleranz ohne Beliebigkeit, Freiheit ohne Zynismus, Brüderlichkeit ohne Tribalismus. Sie verspricht nicht, die Welt im Namen einer Großloge zu verändern – sie befähigt den freien Menschen, es verantwortlich zu tun. Leise. Beharrlich. Wirksam.

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